4 freche Fragen an den Beckenboden

Unsere Physiotherapeutin und Beckenboden-Spezialistin Hanna Schmid-Zelenka beantwortet stellvertretend für unseren weiblichen Beckenboden einige Fragen, die wir ihm gerne persönlich stellen würden. Sie erzählt uns außerdem von ihren Wünschen für einen gesünderen Umgang mit ihm, denn als nicht besonders beachteter Zeitgenosse leistet unser Beckenboden-Muskel-Faszien-Geflecht jeden Tag Schwerstarbeit.

Höchste Zeit unseren Beckenboden durch Hanna zu Wort kommen zu lassen!

Würde es unserem Beckenboden eigentlich besser gehen, wenn wir Frauen in der Schwerelosigkeit des Weltalls leben könnten?

Hanna: Ja, in Bezug auf den Druck, der im Vergleich zur Erde auf unseren Beckenboden wirkt definitiv. Wir müssten uns allerdings auf einen Abbau unserer Muskulatur gefasst machen, die uns normalerweise gegen die Schwerkraft aufrichtet. Nach unserer Rückkehr auf die Erde würde dies zu Problemen führen.

Grundsätzlich reicht eine gute Haltung, normales Körpergewicht und regelmäßig sportlich individuell angepasste Betätigung aus, um unsere funktionelle Mitte ein Leben lang gesund zu halten. Doch wenn wir daran denken, dass wir bereits ab dem 30 Lebensjahr pro Jahr 2 Prozent an funktionsfähigen Fasern abbauen, sollte uns das auf unsere Lebeserwartung gesehen einiges zu denken geben. Also kann ich nur sagen „use it or loose it“. Unser Beckenboden hat im Alltag einfach mehr Aufmerksamkeit verdient! Die gute Nachricht – der Beckenboden besteht aus einem Skelettmuskel-Faszien-Geflecht und ist hervorragend trainierbar.

Welche herausfordernden Zeiten er- und durchlebt unser Beckenboden im Laufe des Lebens?

Hanna: Herausfordernd kann vieles sein, als Erstes kommt mir hier aber die Schwangerschaft, die Geburt und die Zeit danach in den Sinn. Für die Schwangerschaft ist es von Bedeutung den Beckenboden zu inkludieren – ihn nicht zu über- oder unterfordern. Optimal ist es, eine individuell ökonomische Haltung einzunehmen, schweres Heben zu vermeiden und ein auf Sie abgestimmtes Bewegungsprogramm zu verfolgen. Neben einer fachlich kompetenten Geburtsvorbereitung durch eine Hebamme, wird der Bewegungsapparat mit einem sanften, physiotherapeutischen Training gezielt auf seine bevorstehende Höchstleistung vorbereitet.

In der sensiblen Rückbildungszeit, sollten wir uns und allen beteiligten Strukturen die Zeit und Dosierung an Belastung zukommen lassen, die für eine gute Genesung notwendig sind. Keine Geburt gleicht der anderen, und auch Bedürfnisse und Vorstellungen vom Leben unterscheiden sich von Frau zu Frau. Die physiotherapeutische Arbeit begleitet Sie auf Ihrem persönlichen „Weg zurück“. Dieser Weg ist erst abgeschlossen, sobald der Körper im „Ursprungszustand“ ist, und all’ Ihre täglichen Aktivitäten sowie der vielleicht gewohnte Sport (wieder) ohne Risiko möglich sind.

 

Was hat das Wohlfühlambiente eines „stillen Örtchens“ besonders in der Öffentlichkeit mit der weiblichen Beckenboden-Gesundheit zu tun?

Hanna: Eine Menge! Toiletten für Frauen sollten tatsächlich, von der Hygiene ganz abgesehen, künstlerisch so schön und ansprechend wie möglich gestaltet werden. Zu welchem Zweck? Damit wir Frauen uns mehr Zeit für unsere natürlichen Bedürfnisse nehmen. Die Pflege des Beckenbodens beginnt mit den für uns banalsten täglichen Aktivitäten.

Zu einer erfolgreichen Entleerung gehört unter anderem ein entspannungsfähiger Beckenboden. Eine ans Urinieren oder an den Stuhlgang angepasste Haltung auf der Toilette und die angewandte Strategie ist entscheidend für die Beckenbodengesundheit. Es macht einen Unterschied wie ich ein Leben lang 7 mal täglich Wasser lasse und 3 mal pro Woche bis 3 mal täglich mein Geschäft verrichte.

Angenommen du würdest eine magische Haselnuss finden, welchen Wunsch in Bezug auf die Frauengesundheit in Österreich hättest du?

Hanna: Aus meiner Sicht kann es nicht sein, dass in unserem hochentwickelten Land häufig der Zufall darüber entscheidet, ob Frauen mit dem Wissen über eine mögliche, physiotherapeutische Prophylaxe in Kontakt kommen oder nicht. Deshalb ist einer meiner Wünsche eine kostenlose Mutterkindpass-Untersuchung bei einem/r spezialisierten Physiotherapeuten/in. Das heißt für mich zumindest eine Physiotherapie-Einheit für jede Frau zugänglich zu machen, um ihnen eine physiotherapeutische Anleitung für den vorbeugenden Umgang mit dem eigenen Bewegungsapparat geben zu können.

Und hätte ich noch eine Haselnuss, würde ich mir wünschen, dass jede Frau direkt nach der Geburt die für sie bestmögliche Versorgung, wozu auch Physiotherapie zählt, erhält. Um ein Beispiel zur Veranschaulichung zu nennen:
Obwohl in den Leitlinien verankert ist, dass bei Frauen mit einer Dammverletzung 3 und 4 Grades spezialisierte Einzelphysiotherapie erfolgen sollte, passiert das in der Praxis bis dato leider nur unvollständig.